Covid-19: wirklich anders als eine Grippe? 31.3.20

Lieber Däni,
Geht es Dir gut? Was tut sich in Kolumbien? Halten die Leute die nötige Distanz? Gerne zu Deinen Fragen:

Was ist anders als bei einer der jährlichen Grippe-Pandemien?

Eine normale Grippe-Welle erfasst vielleicht 10 Prozent der Bevölkerung. Von diesen 10 Prozent stirbt jeder Tausendste an Influenza. Vielleicht darf man sagen, dass Grippe eine der Todesursachen ist, an welchen alte Menschen halt irgendwann sterben. Warum stecken sich nicht jedes Jahr mehr als 10 Prozent der Menschen an. Die meisten Menschen haben eine Teilimmunität gegen das jährlich neue Grippevirus, weil sie geimpft sind oder weil ihr Immunsystem ähnliche Virenstämme aus früheren Jahren schon kennt.

Gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 besteht keine Teilimmunität. Die vier bekannten, harmlosen Erkältungsviren aus der Gruppe der Coronaviren erzeugen keine Immunität zum Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung. Die Vorhandenen Pandemie-Daten zeigen, dass ohne Kontrollmassnahmen deutlich mehr als ein Viertel der Menschen sich infiziert. Mindestens ein Prozent der Infizierten stirbt an Covid-19, bei Menschen in unserem Alter über 65 sind es deutlich mehr. [Nachtrag 5.11.20: Heute weiss man, dass etwa 10 Prozent der Menschen durch vorangegangene Infektionen mit anderen, harmlosen Coronaviren eine zelluläre Immunität gegen SARS-CoV-2, den Erreger von Covid-19 besitzen.]

Was wäre geschehen, wenn die Schweiz keine Kontrollmassnahmen ergriffen hätte: Lass uns mit zurückhaltenden Annahmen rechnen.

Bevölkerung Schweiz8 500 000
Covid-19 Infizierte2 125 000
Todesfälle Covid-1921 250
Todesfälle Normaljahr65 000

Nehmen wir an, von den 8.5 Mio hätten sich ein Viertel innerhalb weniger Wochen infiziert. Von diesen gut zwei Mio wären «nur» ein Prozent gestorben. Das wären ein Drittel mehr Todesfälle als in anderen Jahren. Das Gesundheitswesen wäre kollabiert; andere Krankheiten hätten nicht mehr angemessen behandelt werden können, was noch einmal einen zusätzlichen Blutzoll gefordert hätte. Das sind vorsichtige Annahmen und es hätte alles auch zwei oder dreimal schlimmer werden können.

In vielen wenig entwickelten Ländern leben nur wenig alte Menschen. Wegen der schlechten Gesundheitsversorgung haben weltweit viele Menschen ein schwaches Immunsystem. Auch für ein Land wie Kolumbien muss von einer Covid-19-Sterblichkeit von eher mehr als einem Prozent ausgegangen werden. Auch in Kolumbien wurden Massnahmen ergriffen. Wie wirksam und zweckmässig kann ich nicht beurteilen. Der Kollaps des Gesundheitswesens kann in Kolumbien das Staatswesen erneut an den Rand des Funktionierens treiben. Hoffen wir nicht. Mindestens die Hälfte der Menschheit lebt in Ländern, welche für Corona-Pandemie nicht genügend gewappnet sind. Ein halbes bis ein Prozent der Menschen weltweit könnte an Covid-19 sterben: 30 bis 100 Millionen Menschen sind leider realistisch.

Wurden klare Kriterien dafür festgelegt, wie eine Erkrankung bzw. ein Todesfall als dem Covid-Sars 19 Virus geschuldet in die Statistik einfliessen soll oder ist dafür nur ein positiver Test erforderlich?
Ich kann das nur für die Schweiz beurteilen. Gemäss Meldekriterien-Covid-19 muss der behandelnde Arzt den Todesfall von mittels PCR laborbestätigten COVID-19-Fällen innerhalb von 24 Stunden sowohl dem Kantonsarzt als auch dem Bundesamt für Gesundheit melden.

Zudem muss der behandelnde Arzt, der bei einem Sterbefall einen Totenschein ausfüllt, einige Tage später zuhanden des Sterberegisters eine Hauptursache und ein bis zwei Nebenursachen angeben. Der Arzt schreibt also beispielsweise Hauptursache: Pneumonie/Lungentzündung und Nebenursachen Covid-19 und generalisierte Arteriosklerose. Aus diesem Sterberegister wird man in einem Jahr definitive Zahlen gewinnen können, welche eine Kontrolle der Meldedisziplin erlauben.

Ich habe gelesen, dass die Tests zu 47% falsch positive Resultate produzieren. Stimmt das bzw. wie steht es damit?

Die bis jetzt zur Anwendung gekommenen PCR-Tests aus Abstrichmaterial sind viel spezifischer und falsch positive Testresultate sind weniger häufig als ein Prozent. Vermutlich bezieht sich Deine Zahl auf einen schlechten experimentellen Antikörpertest im Blut. Die Sensitivität eines Tests ist meist entscheidender: Wir wollen keine falsch negativen Resultate, keine unerkannt Infizierten. Bei einem Suchtest nimmt man einen gewissen Fehler bei der Spezifität in Kauf um eine hohe Sensitivität zu erreichen: Gelegentlich ein falsch positives Testresultat ist nicht weniger schlimm als verpasste Corona-Infektionen. Der PCR-Test ist nur so sensitiv, wie er angewendet wird. Wer symptomlose Menschen mit PCR aus Abstrichmaterial auf SARS-CoV-2 testet wird nicht erkennen können, ob der betreffende Mensch noch nicht und vor allem nicht mehr Corona-Viren ausscheidet.

Todo claro, mi hermano?
Bliib xund