Einfach die Alten und Schwachen preisgeben? 9.4.20

Lieber André,
Ich frage mich warum, eine klarere Abgrenzung der gefährdeten Bevölkerungsanteile nicht mehr angestrebt wird. Und bevor ich nun als schrecklicher Faschist benannt werde, ist es doch legitim diese Frage zu stellen, denn sterben tun gemäss Schweizer Statistik nur Menschen mit mindestens einer oder mehreren schweren Vorerkrankungen. Davon sind die große Mehrheit im hohen Alter.
Da ich keine medizinische Fachperson, noch ein Epidemiologe bin, verstehe ich hier den Sachverhalt vielleicht nicht korrekt. Mir scheint aber eher, dass wir hier etwas zu unmündig mit Anweisungen zugedeckt werden, anstatt dass man uns klar sagt: ja, eine diskriminierende Behandlung der Bevölkerung würde aus epidemiologischer Sicht zwar Sinn machen, ist aber in keiner Weise mit unserer Verfassung vereinbar. Oder dass man mir schlüssig und mit wissenschaftlichen Argumenten erklärt, warum eine diskriminierende Behandlung (also Ausgangssperre für gefährdete Personen) auch aus epidemiologischer Perspektive unsinnig ist. Kurz: mehr glaubwürdige Daten würden uns in all diesen Fragen helfen.
Liebe Grüsse

Lieber M

Die Inuit erwarteten von ihren Alten, dass sie sich zum Sterben zeitig in die Kälte zurückziehen, da die kleine Gemeinschaft eines Iglus Alte nicht durchfüttern konnte. Es ist berechtigt zu fragen, ob Junge wegen der Covid-19-Pandemie unnötig grosse Lasten tragen müssen. Dein Vorschlag, den gefährdeten Teil der Bevölkerung selektiv zu isolieren, möchte ich darum ausführlicher kommentieren. Das Alter ist für 90 bis 95 Prozent der Fälle ein einfaches Kriterium der Gefährdung durch Covid-19. Mindestens 5 Prozent der Risikopersonen ist aber jünger als 65 Jahre alt. Was ist mit der 40 jährigen Mutter von drei Kindern mit einem Mammakarzinom und Chemotherapie? Was ist mit dem 50 jährigen Familienvater mit Bluthochdruck, mit der zuckerkranken, jungen Studentin, mit den HIV-Infizierten oder Hepatitis-Kranken? Wie kann ihre Isolation nur schon durch Bezeichnung der Betroffenen durchgesetzt werden?

Die Isolation müsste sehr radikal und sogar brutal durchgezogen werden. Die Machbarkeit würde rasch an die Grenzen der Funktionsfähigkeit unseres Systems gelangen. Spielen wir die Zahlen einmal durch: Wenn der Teil der Bevölkerung ohne grosses Risiko keinen Kontaktbeschränkungen mehr unterliegt, verdoppeln sich die Zahlen der Infizierten exponentiell. Alle 2-4 Tage verdoppelten sich diese Zahlen. Nach einem Monat wären mindestens 50’000, nach sechs Wochen rund die Hälfte der Bevölkerung infiziert. Covid-19 ist auch bei jungen, sonst gesunden Menschen nicht selten eine schwere Krankheit. So viele junge Menschen könnten plötzlich nicht zur Arbeit erscheinen, dass die Wirtschaft unkontrolliert zum Stillstand kommen würde. Die Spitäler wären mit den zu erwartenden Hunderttausend bis Dreihunderttausend jungen, sonst gesunden, aber durch Covid-19 schwerkranken Menschen sicher überfordert. In diesem Szenario habe ich noch nicht berücksichtigt, wie es dabei den Risikopersonen erginge. Lieber Micha, auch in unserem nächsten Familienkreis würden viele Menschen einem gnadenlosen, unbetreuten Sterben ausgesetzt.

André