Ende der Quarantäne: Seuchenpolizei? 29.3.20

Die Medien sind voll mit unkonventionellen Lösungsvorschlägen (Corona-Tracking / Kontakt-Tracing). Aber wie werden wir in diesem Sommer leben? Welche Fragen muss man heute stellen?
Wann können Quarantäne und andere die persönliche Freiheit und die Wirtschaft des Landes einschränkende Massnahmen reduziert oder beendet werden?

Im Verlauf der Covid-19-Epidemie in der Schweiz muss plausibel sein, dass übrig gebliebene Infektionsherde mit den vorhandenen Mitteln eingegrenzt werden können. Dann können die allgemein geltenden Restriktionen schrittweise gelockert werden.

Wie können wir das abschätzen?

Wir müssen fragen, welche Faktoren beeinflussen den Verlauf der Epidemie? Wie wirksam erscheinen sie? Wieviele Menschen sind infiziert, wieviele sind immun, wieviele können sich noch anstecken?

Im Verlauf einer Epidemie nimmt die Zahl der Infizierten zuerst exponentiell zu; mit Verzögerung steigt die Zahl der Geheilten und Immunen. Das Virus findet immer weniger empfängliche Wirte: der Pool der noch-nicht-infizierten Menschen schwindet. Je weniger Menschen sich angesteckt haben, aber von der gefährlichen Epidemie noch erfasst werden können, desto dringlicher müssen Containment-Massnahmen durchgeführt werden.

Zu Beginn der Covid-19-Pandemie ist in der Schweiz kein Containment geglückt. Die Zahl der Neuansteckungen stieg zu lange. Die Eindämmungsmassnahmen kamen zu spät. Zur Zeit nähern wir uns dem Höhepunkt der Covid-19-Epidemie in der Schweiz. In den kommenden zwei bis drei Wochen werden wir genügend genau wissen,  wie viele Menschen in der Schweiz sich mit SARS-CoV-2 Corona-Viren angesteckt haben, wie viele immun sind und sich nicht mehr anstecken können.

Wann kann man was tun?
  • Die Zahl der gegen SARS-CoV-2 noch-nicht-immunen Menschen kann dereinst durch eine Massenimpfung gesenkt werden. Vor Herbst 2020 ist damit nicht zu rechnen.
  •  Wenn die Zahl der Neuinfektionen zu gross ist, können die restriktiven Massnahmen noch nicht gelockert werden. Wenn wir mit den vorhandenen Mitteln nicht alle Neuinfektionen sofort erfassen können, wenn neu infizierte Menschen weitere Menschen infizieren, wenn wir nicht jeden neuen Herd eingrenzen und Infektionsketten sofort unterbrechen können, können die restriktiven Massnahmen noch nicht gelockert werden.
  • Wenn die Zahl der Neuinfektionen deutlich sinkt, aber immer noch viele Menschen nicht immun gegen SARS-CoV-2 sind, werden Containment-Massnahmen noch viele Monate und vielleicht bis zur Massenimpfung der Bevölkerung notwendig sein.Bei einer Grippe-Pandemie stecken sich fast jedes Jahr rund 10 Prozent der Bevölkerung an. Vielleicht haben sich weniger als 10 Prozent der Bevölkerung mit SARS-CoV-2 infiziert. Dann müssten sich 90 Prozent der Bevölkerung weiter schützen. Dann muss erneut und für lange Zeit jeder neue Infektionsherd sofort erfasst und eingegrenzt werden. Es ist wahrscheinlich, dass sich bis Ende April 2020 weniger als 50 Prozent der Bevölkerung mit dem neuen Coronavirus infiziert haben.
  • Vielleicht haben aber doch viel mehr Menschen als vermutet, eine milde, unbemerkte Covid-19-Erkrankung durchgemacht. Wenn nur noch 20 oder gar weniger als 10 Prozent der Bevölkerung noch nicht immun gegen SARS-CoV-2 ist, werden neue Infektionsherde, neue Ansteckungsketten und die Weiterverbreitung des Virus unwahrscheinlich (Herdimmunität). Staatliche Restriktionen könnten sich dann erübrigen.
Wie werden wir nach dem Höhepunkt der Epidemie leben, wenn die allgemein geltenden Restriktionen schrittweise gelockert werden?

In einigen asiatischen Ländern (Korea, Taiwan, in den meisten Provinzen von China) waren frühe und rigorose Eingrenzungsmassnahmen  erfolgreich. Diese Länder waren wegen früheren gefährlichen Epidemien (SARS, MERS) gewarnt und besser vorbereitet. Diese Länder grenzen die Freiheit ihrer Bürger auch nach dem Höhepunkt der Epidemie so strikt ein, wie wir es vielleicht nicht ertragen wollen. Gibt es Alternativen?

Das Epidemiengesetz ermächtigt die kantonalen Behörden und den Bund zu sehr einschneidenden Massnahmen. Die Kantonsärzte sind das wichtigste gesundheitspolizeiliche Organ. Sie werden im nächsten halben Jahr oder noch länger entscheiden, wie jeder Einzelne von uns nach dem Höhepunkt von Covid-19  leben darf. Die wichtigen Fragen kommen erst jetzt. Jetzt müssen wir unsere Fragen stellen:

Welche individuellen medizinischen Überwachungsmassnahmen planen die Kantonsärzte?

Die kantonsärztlichen Dienste sind personell nicht in der Lage, die medizinische Überwachung durchzuführen. Wie und wer wird individuelle Zwangsmassnahmen im Sommer 2020 durchsetzen? Werden wir die ordentliche Polizei dafür einsetzen, das Militär, der Zivildienst? Werden wir ertragen müssen, dass für diese Aufgabe schlecht ausgebildete Menschen, unseren Alltag befehlen? Werden solche Truppen zur Zeit gebildet und ausgebildet? Wer bildet diese Truppen aus?

Welche Vorgaben macht der Bund den Kantonen?