Jona

Als Russland seinen Krieg gegen Japan zu verlieren drohte, waren die Juden wieder einmal an der grossen Not im ganzen Land schuld. Wieder weiss niemand wie viele Hundert oder vielmehr Tausend Juden in Jekaterinoslaw auch in diesem Pogrom vernichtet wurden. Weder der jüdische Arbeiterbund noch die sozialrevolutionären Narodniki konnten sie schützen.

Die Volksgenossenschaft für Schuhe wurde als Hort der Juden und gottlosen Sozialisten erneut gestürmt und dieses Mal ganz zerstört. Jona Zawidow hatte nur seine Tiere und die Menschen rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Auf einem grossen Lastkahn schwammen sie den Dnjepr hinunter nach Saporischtschja. Ihre Zeit als Zirkus begann.

Jona Beerowitsch, der Clown Zawidow a Groisser, führte seine sozialrevolutionäre Zirkustruppe durch das Land. Der Zirkus unterhielt und belehrte die Menschen. Propaganda hatte noch keinen schlechten Beigeschmack. Artisten aus allen Ländern waren im Zirkus zu bewundern, sogar ein entlaufener schwarzer Sklave aus Afrika und zwei echte Prinzessinnen aus der Schweiz.

Der Zirkus wurde meist erwartet und fast immer reich beschenkt. Die Jugend und auch ältere Menschen jubelten ihnen zu. Die Mädchen schwärmten für den kleinen grossen Zawidow, und sie suchten seine Nähe bis unter die Decke der Nacht. Die Frauen der Truppe verschenkten sich den jungen Männern, die stolz und erhobenen Hauptes mit ihnen tanzten. Niemand schrieb ihnen vor, wohin sie zu ziehen hätten. Und sie zogen von einem Städtchen zum nächsten, den einen Fluss hinauf und den anderen herunter. Jona erzählte seiner Truppe und dem Volk nicht nur Spässe und Witze, sondern seine Geschichten und vor allem die grosse Geschichte über die Suche der Menschen nach Freiheit, welche hier in der Ukraine im Sozialismus offensichtlich ihren Höhepunkt erreicht hatte.

Fünfzehn Jahre später hatten die vereinten Kräfte der Freiheit, des Sozialismus’ und der Revolution gesiegt. Alle Menschen waren frei: Männer und Frauen gleich. Frieden war eingekehrt, eine kurze Zeit.

Der Clown Zawidow a Groisser war von kleiner Statur, aber viel kräftiger als man erwartet hätte, athletisch und artistisch von grosser Klasse. Der grosse kleine Zawidow wurde von zwei Riesen eskortiert: Die Zwillinge Schimschon und Samson waren Kraft- und Feuerschlucker. Die übrige Truppe bestand vorwiegend aus jungen Frauen. Alle liebten Groisser. Die jungen, begeisterten Frauen waren nicht eifersüchtig, oder zeigten es nicht. Alle wohnten sie in Wagen, welche von Kühen gezogen und von der Truppe geschoben wurden. Schweine, Hunde und eine schüchterne Schimpansenfrau namens Titana zogen mit dem Zirkus.

Wenn sie in die kleinen Städte einfuhren, ritten «die wirklichen und echten Prinzessinnen, aus der Schweiz, Sina und Tina» Rücken an Rücken auf dem Esel und jede trompetete die Internationale auf einer Tröte nach allen Richtungen:

«Wacht auf Verdammte dieser Erde,
die stets man noch zum Hungern zwingt.
Das Recht wie Glut im Kraterherde,
nun mit Macht zum Durchbruch dringt.»

Vor dem Einmarsch in eine Ortschaft, wurden die Kühe vor einem der Wagen abgespannt. Die grossen Zwillinge spannten sich dann selbst vor diesen Wagen: Sie befestigten eine riesige Schlaufe aus einem starken Seil vor den Wagen; sie liessen sich an den Händen und Füssen in schwere Ketten legen; dann gab man ihnen das Seil zwischen die Zähne. So und mit grimmiger Miene zogen Schimschon und Samson den Wagen auf einen geeigneten Platz. Die Äffin Titana tanzte vom Wagen auf dem gespannten Seil, von der einen Seite über den Kopf von Schimschon, über das durch eine Schlaufe am Wagendeichsel und zwischen den Titanen gespannte Seil zu Samson, kletterte auch über dessen Kopf und spazierte kichernd und quietschend wieder auf der anderen Seite des Seils zurück auf den Wagen. Auf dem Wagendach hopste die Äffin und die Frauen der Truppe zeigten Sprünge am Boden, lächelten das Volk mit gespreizten Armen einladend an und priesen das Programm.

«Jona Beerowitsch Zawidow a Groisser und seine sozialistische Truppe zeigt und erzählt Euch die Welt!»

Titana sprang erneut auf das Seil zwischen den Kraft- und Feuerschluckern und hielt ein grosses Plakat in die Höhe. Beerowitsch aber stand zuoberst auf dem Wagen und verkündete den Sieg des Sozialismus hier und bald in der ganzen Welt. Er benutzte den Wagen als Turngerät, kletterte, sprang und purzelte elegant zu Boden und schwang sich am von den Zwillingen gespannten Seil wie vorher Titana, die Schimpansin. Groisser verbeugte sich grossartig vor der herbeieilenden Bevölkerung.

«Ukrainische, jüdische, russische und tatarische und wo oder wem immer ihr zugehört, Arbeiter und Bauern, Frauen und Männer, Kinder! Solidarisch sind wir die Zukunft! Unsere Zukunft ist nur eine gemeinsame Zukunft! Gemeinsam die internationale Zukunft anpacken!»

Jona machte einen grossen Satz und gleich darauf einen Radschlag und kniete mit einem Bein und mit ausfahrenden Armen vor sein Publikum. Galant griff er einer Bäuerin an den unter dem Kinn geknüpften Knopf ihres farbigen Kopftuchs und machte ihr schöne Augen. Dann riss er seine Hand weg und hielt einen Rubel in die Höhe.

«Wir wollen keine Diebe mehr! Wir haben sie vertrieben! Jetzt regiert das Volk!»

Er überreichte der Bauersfrau eine Papierblume mit grandioser Verbeugung. Die Leute applaudierten und dann wurden die neusten Nachrichten aus der ukrainischen sozialistischen Sowjetrepublik, aus Russland und der ganzen Welt verkündet. Der Clown stolperte über seine Füsse und über imaginäre Hindernisse. Er schwang eine grosse Harmonika. Die Frauen der Truppe jauchzten, sangen und tanzten mit Alten und Jungen aus dem Publikum.

Tina, Sina und Titana machten zusammen die fantastische Groisser Rad Nummer. Das Rad war fast doppelt so hoch wie ein Mensch: ein durch Sprossen verbundenes Doppelrad. Sie bewegten das Rad über den Platz in waghalsigen Kurven und Pirouetten, indem sie in das Gerät eintraten und mit Händen und Füssen darauf herumgingen und kletterten und sich im Gegengewicht hochschaukelten, in der Mitte an den Händen fassten und ungesichert, nur durch den Schwung und den gegenseitigen Druck stabilisiert, herumwirbelten. Sie liessen das Rad stillstehen und nur von der Affenfrau bewegen. Titana bewegte das Rad durch Verlagerung des Schwerpunktes, indem sie zuoberst langsam ausschritt, dann von Handstand in Kopfstand und Handstand das Gefährt immer wuchtiger beschleunigte, um zuletzt kreischend herunter auf den Boden zu springen.

Das riesige Rad kam vor dem erschrockenen Publikum zum Stillstand. Die Prinzessinnen kletterten wieder hoch und liessen beide, kopfüber an den Füssen hängend, die Röcke fallen, scheinbar sich entblössend, männliche Begierden und weibliches Gelächter provozierend. Die Unterhosen reichten bis zu den Waden und die Gesässe blieben auch dann noch durch rote Unterunterwäsche verhüllt, als sie sich zum Abschluss ihrer Nummer verbeugten und dabei die weissen Unterhosen synchron herunterliessen und den kecksten Burschen in den vorderen Reihen den Allerwertesten vor die gierigen Augen streckten.

«Platz da, Platz da für den Abgang von Tina, Sina und Titana.» Auf einer grossen Sau kam der Clown und Zirkusdirektor zwischen seine Schönen und die Burschen geritten, welche am liebsten zugegriffen hätten. Die dressierten Schweine waren das Gerüst für Jona Beerowitsch’s Spässe und Witze, welche nun an der Reihe waren. Er parodierte die durch die Revolution vertriebenen Potentaten und Grossgrundbesitzer. Er zauberte und turnte in irrem Tempo. Die Frauen tanzten im Kreis um ihren Chef, der hatte erneut seine Harmonika und sie sangen bekannte Lieder. Der Abschluss bildete ein Seilziehen. Hinter jedem der gegnerisch aufgestellten Zwillinge konnte die Dorfjugend mittun. Der Clown gab das Startsignal und sobald das Seil in der Mitte gut gespannt war, gab er das Startsignal, sprang auf das Seil und turnte und tanzte darauf in der Mitte zwischen den beiden Mannschaften wild fuchtelnd herum.

Jona war glücklich. Er erinnerte sich an die Erzählungen seines Vaters Beer Abischajewitsch über seinen Vater. Abischai, der Schuhmacher, war hundert Jahre früher mit Napoleon durch Europa bis nach Russland gezogen. Die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, nicht nur für die Franzosen, sondern auch für die Juden und Polen, für Russen und die Ukrainer, und für alle Menschen wurde propagiert.

Dass er, Jona, eine solche Zeit des Sieges erleben durfte! Aber der Jude in ihm kannte die ganze Geschichte. Der kleine Grosse wusste, dass Napoleon nicht der revolutionäre Heilsbringer seiner Propagandisten geblieben war. Immer mehr er der Grauen erregende, sinnlose, gottlose Zerstörer geworden, der «Malach Hamawet». Das was kam, konnte Jona Zawidow, den grossen kleinen Juden nicht erstaunen.

Als die Zirkuswagen immer öfter an verbrannten, kleinen und mittelgrossen Bauernhöfen vorbeikamen, als sie immer öfter Leichen von Verrätern der Arbeiter- und Bauernklasse begegneten, erzählte Jona bei seinen Auftritten nicht nur von der Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten, sondern auch von der schrecklichen Tyrannei der Brüder Moses und Aron und der Tyrannei, welche nach der französischen Revolution mit der Guillotine getobt hatte. Immer öfter gipfelten Groissers Auftritte in seinem irrem Gelächter. Nur die schönen Frauen der Truppe konnten die Irritationen des Publikums mildern und verhindern, dass allgemeines Grauen in Panik und unkontrollierten Zorn umgeschlagen hätten.

Jonas Truppe mied die adligen Güter. Die waren nämlich von den bolschewistischen Volkskommissariaten beschlagnahmt worden. Rohe rote Herren mit Pistolen und Gewehren regierten überall. Die Bolschewiki wollten allein regieren. Die revolutionäre Hilfe der Narodniki war vergessen. Am Jahrestag der Oktoberrevolution kreuzten aufgekratzte bolschewistische Tschekisten auf einem offenen Lastwagen den Weg des Zirkus. Sie luden die Artisten auf ein Landgut ein, auf eine Weise die nicht abgelehnt werden konnte. Brav sangen sie Revolutionslieder und zeigten ihre Kunststücke. Die rote Mannschaft hatte den Weinkeller und die Wodkavorräte entdeckt.

Als die Männer immer gierigere Blicke auf die schönen Frauen des Zirkus‘ warfen, zeigte sich der Kommandant der roten Truppe. Auf der grossen Treppe des ehemals fürstlichen Palais’ stand der Politruk Rafail Abramowitsch Gross. In militärischer Uniform, von der polierten Stiefelspitze bis zur Mütze mit rotem Hammer und Sichel-Emblem schneidig, stand er über allen. Eine grosse rote Narbe zierte eine Gesichtshälfte und betonte sein schiefes Lachen: «Ah die wirklichen und echten Töchter Alexander Walterowitschs beehren unser bescheidenes Anwesen zur hohen Feier mit ihrem Besuch. Und ihren grossen Clown haben sie auch mitgebracht, welche Ehre.»

Die «wirklichen und echten Prinzessinnen aus der Schweiz» machten betretene Gesichter, aber formvollendet verbeugte sich der Clown mit gestrecktem rechten Bein, empor gerecktem Hut und geknicktem Knie: «Hoher Herr Genosse, Rafail Abramowitsch, wir entbieten Ihnen die Grüsse des ganzen Volkes. Wir sehen die Früchte Ihrer hehren Anstrengungen landauf und landab. Wo immer wir hinkommen, sind die Spuren Ihrer Arbeit sichtbar. Jona Beerowitsch, Zawidow nebbes a Groisser, und seine sozialistische Zirkustruppe sind hocherfreut und beschämt über diese Einladung. Wir haben unser Bestes zur Unterhaltung der glorreichen unermüdlichen Kämpfer für das Wohlergehen geleistet und bitten nun um die Erlaubnis uns zurückzuziehen.»

Rafail kannte Sina und Tina, und die «wirklichen und echten Prinzessinnen» kannten den Gutshof aus ihrer adligen Zeit. Sie waren tatsächlich Töchter von Major Alexander Walterowitsch. Aber dieser Major Netter, ein russisch-schweizerischer Doppelbürger galt als Feind, ein berüchtigter Offizier der Weissen und Spion.

Der Zirkus machte sich in der Nacht leise davon. Sie zogen weiterhin durch die Lande. Aber etwas war anders geworden. Jona bestritt das: «Was glaubt Ihr denn; Lachen hat doch immer Mut gebraucht.»

Jona, der Clown Zawidow a Groisser, sang weiterhin unerschrocken auf das Wohlergehen des grossen einzigartigen Genossen Stalin.

«Ja adin
Taworisch,
gesunt sollt ihr säjn,
jabädidäl
no bädidäl
jam dubi däjn»

Groisser grölte quasi besoffen, prostend und winkend von seiner grössten Sau herab. Das Glas erhoben auf den grossen Führer des Volkes Stalin. Er liess sich von den «wirklichen und echten Prinzessinnen» und allen seinen Frauen verehren. Das Publikum kugelte sich vor Lachen, aber die Bolschewiki fanden das gar nicht lustig.

Rafail Abramowitsch Gross selbst führte das Kommando, welches im Morgengrauen das Zirkuslager am Fluss Inhulez umstellte.

Samson wurde der Schädel zertrümmert als er sich wehrte, Schimschon wurde von tödlichen Schüssen gestoppt als er seinem Bruder zu Hilfe eilte, und die Affenfrau Titana wurde mit dem Bajonett aufgespiesst, als sie sich brüllend auf Abramowitsch warf und mit Fäusten auf seinen Kopf einhämmerte. Die Schreie der Frauen dauerten nicht lange. Halb nackt wurden sie von ihren Matratzen aus den Wagen gezerrt. Sie klammerten sich schlotternd aneinander und an Jona. Niemand lachte, als Jona tapfer zu sein versuchte und halb erstickt das Hohelied des grossen Genossen anstimmte.

«Ja adin Taworisch» dann knallten Schüsse; kurze Zeit wurde es still.

Die Genossen der Tscheka plünderten das Lager. Drei der Tschekisten zogen mit den Schweinen und dem Esel schon ab. Zwei neugierig daher gelaufene Dorftrottel aber mussten die Leichen in einen der Wagen werfen und durften froh sein, dass sie nicht auch noch in dem Wagen landeten, als die grölende rote Horde diesen anzündete.

Da hörte man aus dem lichterloh brennenden Wagen deutlich das Glaubensbekenntnis «Höre Israel» des noch nicht ganz toten Jona Beerowitsch. Er wollte wie ein jüdischer Held, a Gibor a Groisser, für seinen einzigen Herrn und Gott sterben: «Schma Israel Adonai Eloheinu, Adonai Echad!»

Rafail Abramowitsch, packte in rasender Wut die Deichsel. Der Politruk brüllte, als wäre er selbst tödlich gestochen worden, aber erst als ihm zwei Männer halfen, gelang es, den brennenden Wagen in Fahrt zu bringen. Riesig lodernd rollte er über die Strasse und das Pier herab in den Fluss, wo er langsam erlöschend versank.

Die Wut der Sowjets gegen Zawidow a Groisser und seinesgleichen kannte keine Grenzen. In den grossen Säuberungen wurden alle Brüder und Schwestern der Familie Zawidow nach und nach ermordet. Sie drückten sich aneinander in Tadesangst, sie distanzierten sich von einander, sie verleugneten sich und die seinen, sie versuchten sich zu verstecken und nichts nützte. Bald hatte Stalin für Hitler keine Opfer aus der jüdischen Familie Zawidow mehr übrig gelassen.

Nur Moisches Mutter Mirjam und ihre Schwägerin, die Krankenschwester Elischewa, überlebten den stalinistischen Terror und sogar den grossen vaterländischen Krieg. Kurz vor der Oktoberrevolution waren sie alle vier in die Partei der Bolschewiken eingetreten. Ihre Gatten wurden Direktoren von Stahlwerken und gigantischen Kraftwerken.

Mirjam hatte Igor geheiratet, nachdem sein Vater, der Kosakenhauptmann Wassili Kurtschatow gestorben war. Igor Wassiljewitsch Kurtschatow wurde Parteisoldat und Direktor im bolschewistischen Staatsplan zur Elektrifizierung Russlands GOELRO. Lenin hatte Kommunismus befohlen und Kurtschatow begeistert: «Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes».

Als Stalins Schergen in der Belegschaft seiner Kraftwerke Agenten Leo Trotzkis vermuteten, starb Igor an einem Herzinfarkt. Mirjam und Igor waren im Osten der Ukraine geblieben, aber Elischewa und ihr Mann zogen nach Leninsk-Kusnezki in Sibirien. Als Witwe des Direktors der Stahlwerke lebte sie immer noch in Sibirien, als sie zur Zeugenaussage vorgeladen wurde.

Elischewa war schon 89 Jahre alt. Vor dem Morgengrauen fuhr der dunkle Wagen vor. Die Männer mussten das gebrechliche Mütterchen stützen, obwohl Elischewa das nicht zulassen wollte. Man brachte ihr Tee, tat höflich und zuvorkommend. Aber das Spiel war alt und unerbittlich, Elischewa kannte es. Seit einem halben Leben lang wusste sie, was nun folgen würde. Sie wurde gefragt, ob sie diesen oder jenen gekannt habe, und was sie über diese vaterlandslosen Subjekte zu sagen hätte. Elischewa kannte alle jüdischen Protagonisten des sowjetischen Aufbaus seit Beginn der Revolution. 30 Jahre später kannte sie schon deren Kinder und sogar Enkel. Es könne gar nicht sein, dass sie keine Kenntnis von der zionistischen Verschwörung habe, wenn sie doch alle beteiligten Juden kenne. Der Tschekist stotterte. Er war erregt. «Diese Juhuden, Juhuden, die sich gegen die Staatsmacht, den Sozialismus und den grossen Genossen Sta, Sta, Stalin höchstpersönlich zusammengerottet haben.»

Die greise Elischewa Zawidowa überlebte die Befragung durch die Tschetka nicht. Am Schluss war es doch nur Mirjam Kurtschatowa die alles überlebte, dass sie einmal Zawidowa geheissen hatte, war vergessen worden. Ihren Sohn Moische hatte sie nie mehr gesehen, nur wenige Briefe gingen hin und her. Weder Hitler noch Stalin hatten sie umgebracht. Als zweifache Witwe starb Mirjam friedlich in ihrem Bett. Der grosse Genosse aber starb nur wenige Tage später. Es blieb tagelang unentdeckt, da niemand wagte, in Stalins Zimmer nachzuschauen. Der Tod holte Stalin möglicherweise sogar zur gleichen Zeit wie Mirjam.

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