1997/10.11.20/ASe: Die kontrollierte Abgabe von Kokain wird drogenpolitisch oft gefordert. Es gibt zur Zeit aber für Kokain keine Zubereitungen und Abgabemodalitäten, welche sowohl den Bedürfnissen der Konsumenten als auch der medizinischen Sicherheit gerecht werden könnten. Ohne das, ist die Kokainabgabe aber nur die gefährliche Forderung von politischen Hasardeuren.
Im Rahmen der sogenannten Heroinversuche (Prove) des schweizerischen Bundesamtes wurden 1994 Versuche mit Inhalativa nicht nur von Heroin, sondern auch von Kokain durchgeführt.
Tabak haltige Zigaretten und Waldmeisterzigaretten sind zur Inhalation von Heroin oder Kokain aus medizinischer Sicht ungeeignet. Die Risiken des Rauchens von Tabak sind allgemein bekannt. Wegen dieser inhärenten medizinischen Risiken können mit Kokain beeimpfte Zigaretten (Cocqueretten) nicht in die legale Marktordnung für Medikamente und Medizinalprodukte aufgenommen werden.
Obwohl die Versuche mit Heroinhaltigen Zigaretten (Sugaretten) und Cocqueretten vorzeitig beendet werden mussten, zeigten sie, dass die Inhalation von Heroin und speziell auch von Kokain für exzessive Drogenkonsumenten sehr attraktiv ist. Die Entwicklung von sicheren inhalativen Zubereitungen für Heroin aber vor allem für Kokain ist aus medizinischer Logik von grösster Dringlichkeit. Das bedarf der Erklärung, denn die Inhalation von Kokain als Crack, Pasta base de coca oder Freebase ist nicht frei von erheblichen gesundheitlichen Gefahren.
Die ideale Kokainabgabe muss folgenden Anforderungen genügen:
- Die ideale Kokainabgabe kann die Effekte aller Konsummuster und Konsumarten von Kokain imitieren.
- Die Effekte müssen mindestens so attraktiv sein, wie die Effekte, welche der Kokainabhängige gewohnt ist. D.h. die wirksame Dosis muss vergleichbar gross sein und im Gehirn vergleichbar schnell anfluten.
- Die Risiken des Sniffens, Rauchens und der Injektion von Kokain müssen vermieden werden.
Die direkte Applikation von Kokain aus im Körper implantierten Depots ist eine nahe liegende Idee. Technische Lösungen für die Dosierung sind beispielsweise für Insulin bei Diabetikern weit fortgeschritten. Leider sind diese Depots für Kokainsüchtige gefährlich; sie müssen durch die Haut hindurch, mittels steriler Injektionen befüllt werden. Erfahrungen bei an Krebs oder Aids Erkrankten zeigen, dass Depotsysteme (Port-aCath) bei Injektionsdrogenkonsumenten, nach wenigen Monaten praktisch ausnahmslos mit lebensbedrohlichen Eiterrregern infiziert sind.
Kokain kann am Zahnfleisch, in der Nase, Nasennebenhöhlen, Rachen und Bronchien chronische, eitrig nekrotisierende Entzündungen mit gefährlichen Langzeitfolgen verursachen. Die Kokainaufnahme in den Lungenbläschen ist dagegen wenig riskant, wenn die höher gelegenen, übrigen Atemwege geschont werden können, und wenn die Dosis präzise kontrolliert werden kann. Die Gesamtoberfläche der Alveolen der Lunge ist um ein Vielfaches grösser als in den übrigen Atemwegen; in wenigen Sekunden können dort grosse Mengen von gasförmigen Drogenmengen ins Blut aufgenommen werden.
Kardio- und cerebrovaskulär vorbelastete Menschen können durch plötzliche Wirkungen vor allem durch Rauchen oder Spritzen von Kokain in unmittelbare Lebensgefahr geraten. Eine sorgfältige ärztliche Kontrolle des Gesundheitszustandes und der zur Wirkung gelangenden Kokaindosis kann diese Risiken möglicherweise genügend vermindern.
Wie bringt man Kokain in genügender und präzis kontrollierter Dosierung in die Lunge?
Kokaindampf kann durch Vaporizor mit elektrischer Erwärmung erzeugt werden. Ein Vaporizer könnte zur Dosierung präzise gesteuert werden; eine ärztliche Kontrolle ist technisch machbar. Kokaindampf vermindert im Vergleich zu Cocqueretten einen Teil der unerwünschten Effekte an den Atemwegen. Die chronischen Effekte von heissen Kokaingasen sind aber nicht genau bekannt. Effekte in den oberen Atemwegen werden mit Vaporizern vermutlich nicht sicher genug vermieden. Die lokalanästhetische Wirkung könnte schädliche Effekte von Kokaindampf im Nasenrachenraum maskieren.
Inhalationssysteme sind für eine medizinisch vertretbare Kokainverschreibung und Kokainabgabe unverzichtbar. Durch Liposomierung können mikroskopisch kleine, von einer dünnen Fettschicht überzogene kokainhaltige Bläschen erzeugt werden. Die 4-5 µm grossen Kokainliposomen könnten mit einem Spray kalt inhaliert werden. Durch die Fettschicht der Liposomen werden Effekte an den höheren Atemwegen vermieden.
Durch Fingerprint-Erkennung und elektronische Programmierung können im Cocisafe Spray und Kokainbehälter gesichert werden. Erprobte Dosierungsmuster können vom Arzt verordnet und individuell angepasst werden.
Für die Kokainabgabe im Medizinalsystem müssen Abgabetools geschaffen werden, die einerseits den süchtigen Bedürfnissen genügende Dosierungen ermöglichen und andererseits gefährlichen Exzesskonsum beschränken. Kaltinhalation, Fingerprint-Erkennung und elektronische Programmierung könnten dies gewährleisten.
Für eine medizinisch vertretbare Kokainabgabe sind Entwicklungskosten in mehrstelliger Millionenhöhe zu erwarten. Nur Produkte deren Qualität alle normalen Standards der medizinischen Marktordnung erfüllt, werden eine reguläre Drogenabgabe durch das Medizinalsystem erlauben.