Erfolgreiche oder wirksame Drogenpolitik?

Wie können Probleme mit Drogen vermindert werden?
Was nützt dem einzelnen Drogenabhängigen und
Was nützt der ganzen Gesellschaft?

Gut konzipierte Methadon- und Heroinbehandlungen vermindern die Sterblichkeit, Erkrankungen und sozial unerwünschtes Verhalten, wie Prostitution, Kleinkriminalität, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit. Sie verbessern die Gesundheit und psychosozialen Parameter grundlegend. Mit Methadon- und Heroinbehandlungen sterben viermal weniger Menschen, viermal weniger werden krank, nur noch wenige gehen auf den Strich, bestehlen andere Menschen oder verwahrlosen.

Seit Jahrzehnten weiss man aus kontrollierten Studien und anderen wissenschaftlichen Untersuchungen, wie Opioidabhängige am besten behandelt werden sollten. Leider wird dieses Wissen nicht allgemein umgesetzt.

Im Bereich der Suchtmedizin scheinen andere Regeln zu gelten als sonst in der Medizin. Bis in die jüngste Zeit wurden Methadon- und Heroinbehandlungen immer wieder an Menschen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft, als würden nicht schon jahrzehntelang eindeutige Resultate vorliegen. Einige Versuche sind darum regelrecht als unethische Experimente an Menschen zu werten.

Die Interessen aller Beteiligten sorgen in der Medizin normalerweise dafür, dass, sich als wirksam erweisende, Behandlungen und Vorgehensweisen rasch möglichst allen in Frage kommenden Patienten zugutekommen. Nicht so im Bereich der Suchtmedizin. In den meisten Ländern sind nur eine Minderheit der Opioidabhängigen in gut kontrollierten Methadon- oder Heroinbehandlungen. Die evidenzbasierte Wirksamkeit hat sich in kaum einem anderen Feld der Medizin so wenig durchgesetzt, wie im Bereich der Suchtmedizin.

Hier ist die Frage nach Interessen, Motiven und Ideologien ist wichtig. Die Wirksamkeit ist nicht das primäre Ziel der drogenpolitischen Akteure. Eine erfolgreiche Politik muss in erster Linie die Wünsche der politisch einflussreichen Gruppen bewirtschaften. Die Befriedigung der Stakeholder ist das oberste Prinzip jeder erfolgreichen Politik. Die Konzepte des Drogenkrieges bedienen die Interessen der Justiz, Polizei, Therapeuten, Betreuer, Prävention, Suchtforschung und pharmazeutischen Industrie weitaus besser als evidenzbasierte Strategien der Schadensminderung.

Insbesondere ist der Drogenkrieg, die Repression von Drogenkonsumenten, eine äusserst erfolgreiche Politik trotz fehlender Wirksamkeit. Auch die Drogenlegalisierung kann gewisse Erfolge verbuchen; leider orientiert auch sie sich nicht in erster Linie an der Wirksamkeit zur Verminderung der Probleme mit Drogen. Eine erfolgreiche Politik muss nur die Interessen ihrer Stakeholder befriedigen, ihre Versprechen muss sie dabei nicht einmal einhalten können. Die gegensätzlichen Versprechen in der drogenpolitischen Debatte können beide nicht eingelöst werden. Weder erzeugt der Drogenkrieg Sicherheit, noch bringt Drogenlegalisierung Freiheit.

Die Schweizer Drogenpolitik der Neunziger Jahre aber war nicht nur politisch erfolgreich, sie war tatsächlich wirksam. Die Schweiz hat es in wenigen Jahren geschafft, die Probleme mit Drogen vom ersten Platz der Tagesordnung öffentlicher Besorgnis zu einer kaum noch sichtbaren Schwierigkeit herunterzustufen. Eine Störung der öffentlichen Ordnung durch Drogen ist kaum noch zu beobachten.

Etwa zehn Mal weniger Menschen als Mitte der 1990er-Jahre beginnen heutzutage mit Heroinkonsum. Beschaffungskriminalität und Drogenprostitution sind kaum noch erwähnenswert. Todesfälle durch Heroinüberdosis gingen auf weniger als ein Drittel zurück. Die Schweiz hatte in Europa nicht zuletzt wegen der Drogenprobleme die grösste Häufigkeit an HIV-Infektionen. HIV-Infektionen sind bei Drogenkonsumenten auf unter 10 Prozent gesunken, Neuinfektionen kaum häufiger als in der Durchschnittsbevölkerung.

Unter dem Label Vier-Säulen-Politik wurde neben Prävention, Therapie, Repression die Schadensminimierung als neues Element der Drogenpolitik eingeführt. Mit ihr wurden libertäre Bedürfnisse der Achtundsechziger- und Achtziger-Generation politisch erfolgreich befriedigt. Die durchschlagende Wirksamkeit der Methadon- und Heroinprogramme wurde aber unreflektiert allen vier Säulen gleichermassen zugesprochen, was nicht zutreffend ist.

Die Schadensminderung war das neue Element. Nachweislich ist sie bei den meisten Süchtigen hoch wirksam, kostengünstig und massentauglich. Opioidsubstitution und die durch Ärzte kontrollierte diversifizierte Drogenverschreibung und Drogenabgabe haben ihren grossen Nutzen klar bewiesen. Bei Opioidabhängigen sind sie um ein Vielfaches wirksamer als alle anderen Massnahmen.

Prävention: Die Wirksamkeit von Kampagnen und Massnahmen gegen das Ausmass des Drogenkonsums der allgemeinen Bevölkerung kann nicht bewiesen werden und ist umstritten. Niemand wird ernsthaft behaupten, dass die verelendeten Drogenkonsumenten auf dem Platzspitz und Letten in den 1990er-Jahre wegen Präventionskampagnen ihr süchtiges Verhalten geändert haben.

Therapie, abstinenzorientierte psychosoziale Behandlungen und langzeitiger stationärer Entzug der Heroinabhängigkeit sind weder nachhaltig wirksam noch massentauglich und schon gar nicht finanzierbar für eine Mehrheit der Süchtigen. Tatsächlich hat nur eine kleine Minderheit ihren Opioidkonsum damit dauerhaft beenden können.

Repression: Die Polizei hat bis zur Platzspitzschliessung im Verlauf von 25 Jahren ihre Mittel und Kräfte zur Unterdrückung des Drogenkonsums verhundertfacht, vergeblich. Das Chaos nach der Platzspitz- und Lettenschliessung wurde in Zürich erst geringer, als sich die Polizei wieder auf ihre Hauptaufgabe, die Herstellung der öffentlichen Ordnung besann. Die Polizei ist ein mächtiges Instrument zur Herstellung von Ordnung. Aber Repression kann im Feld der Drogen mit dem Ziel der öffentlichen Ordnung und Sicherheit frontal kollidieren. Polizei und Justiz sind tragende Säulen der Drogenpolitik, weil sie Ordnung und Sicherheit herstellen, nicht zuletzt auch für Drogenabhängige lebenswichtige Rechtsgüter.

Die Drogenkriegspolitik propagiert den Slogan «Just say no». Das Abstinenzdogma bewirtschaftet die tief gründenden Wünsche und Ängste in idealer Weise: Der Sucht, der Seuche, Sünde und Verderben, werden das reine Heil und die endgültige Heilung entgegengestellt.

Aber Opioidabhängigkeit ist eine chronische Krankheit und keine Behandlung kann eine dauerhafte Heilung erzeugen. Eine Drogenpolitik der Schadensminderung, die sich schrittweise an der eigenen Wirksamkeit orientiert, kann kein der Heilung vergleichbar ergreifendes Narrativ gegenüberstellen. Die Freiheit kann mit einer medizinisch kontrollierten und geregelten Drogenabgabe nicht erreicht werden. Die Drogenliberalisierung fantasiert allerdings oft genau ein solches Konstrukt.

Wann und warum werden Massnahmen in der Drogenpolitik getroffen? Wie können evidenzbasierte, sich immer wieder rekursiv an der Wirksamkeit orientierende Strategien auch erfolgreich werden? Das sind die offenen Fragen.