Lohnt es noch zu leben, wenn man alt ist und das Leben schon fast vorbei? Die Frage muss fast jeder einst selbst beantworten, aber beschäftigt heute in Corona-Zeiten auch junge Menschen. Wie wertvoll sind die letzten Jahre, Monate oder Tage? Wenn die Frage utilitaristisch in Franken, Rappen und Qualy (Quality Adjusted Life Years) beantwortet wird, kann die Freiheit verloren gehen, dass jeder die Frage dereinst noch für sich selbst beantworten darf…
Auch alte Menschen sterben an SARS-CoV-2-Infektionen nur, wenn Vorerkrankungen vorhanden sind. Die Leute wären also auch ohne Covid-19 gestorben, ist die verkürzte Schlussfolgerung, eine Schlussfolgerung, welche der letzten Zeit eines individuellen Lebens keinen Wert beimisst.
Alte, an Covid-19 verstorbene Menschen wären ohne Covid-19 später, nach Monaten oder Jahren gestorben. Die Covid-19-Pandemie verschärft die Frage des Zeitpunktes unserer Sterblichkeit, welche durch die Errungenschaften der Medizin schon lange gestellt werden. Es gibt im Alter immer eine Vielzahl an Gründen, welche letztlich den Tod herbeiführen.
Im Schweizerischen Sterberegister werden immer neben einer unmittelbaren Todesursache als Hauptdiagnose zwei Nebendiagnosen erfasst. Die offizielle statistische Erfassung der Todesursachen ist in verschiedenen Ländern unterschiedlich: Werden nur Hauptdiagnosen erfasst? Sind alle Daten schon gemeldet worden? Amtliche Statistiken, wissenschaftliche Untersuchungen beziehen oft unterschiedliche Datenquellen mit ein. Nehmen wir ein Beispiel aus einem anderen Feld, einer anderen Epidemie und einer anderen Zeit. 1994 meldete die Polizeistatistik 396 Todesfälle als Drogentote. Atemstillstand wegen Heroinüberdosis verursachte nur ein kleineren Teil der Drogentoten: 1994 starben in der Schweiz nämlich 1’000 Menschen an den Folgen des Drogenkonsums; die übrigen 600 Todesfälle waren durch Aids, Hepatitis, eitrige Infektionen und zu einem ganz kleinen Teil durch Unfälle und Gewalt unter Drogen verursacht. Sterbedaten müssen sehr sorgfältig interpretiert werden.
Die beste Möglichkeit zum Abschätzen der Covid-19-bedingten Todesfälle ergeben Vergleiche mit früher auch schon auf die selbe Art und Weise erhobenen Sterbestatistiken (www.euromomo.eu).