Lieber André,
wenn ich Dich richtig verstanden habe: Die Knappheit der Test-Reagenzien ist also nicht ein weiteres Beispiel für die verschlampte Pandemieplanung in der Schweiz?
ASe: Jein. Mir gefällt der Vorwurf nicht, dass geschlampt worden sei. Niemand hätte vor dem Jahr 2020 in Europa und in der Schweiz die Mittel für einen guten Pandemieplan bewilligt: Duzende von Millionen für Testmaterial, Gesichtsmassen und solche Dinge.
Ein guter Pandemie-Plan hätte die Schwierigkeiten allerdings genügend antizipieren können. Eigentlich kann man wissen, was in den ersten Wochen einer Virus-Pandemie für ein erfolgreiches Containment nötig ist. Genügend Testkapazitäten mit der dazugehörenden gutfunktionierende Infrastruktur und Netzwerken sind dann sicher vordringlich. Was muss in den ersten Tagen und Wochen für eine erfolgreiche Strategie der Einzelfallverfolgung (Kontakt-Tracing), Eingrenzung (Containment) und Quarantäne vorhanden sein? Damit man das weiss muss man die Strukturen und Netzwerke und die Bedürfnisse auf allen Ebenen im einzelnen anschauen vorausschauend und planmässig.
Zu Beginn einer Pandemie sehen die Hausärzte am meisten und die ersten Fälle. In den Hausarztpraxen müssen Pflichtvorräte an geeigneten Röhrchen und Tupfern, Handschuhen und Masken gehalten werden. Zu wesentlich grösseren Pflichtlagern müssen die zuliefernden Medizinalgrossisten und die (privaten) Laboratorien verpflichtet werden. Die Hausärzte müssen ihre über die gewohnten Kanäle ihre Pandemie-Materialien bestellen und erhalten können. Abgesehen von Lieferengpässen, haben diese Kanäle eigentlich gut funktioniert.
Verzögerungen ergaben sich bei der Übermittlung. Auch Hausärzte konnten sich direkt in unserem Institut registrieren und erhielten die Resultate elektronisch, zusätzlich zum gewohnten Weg über ihr privates Labor. Die Erfassung und Übermittlung lief auf allen Ebenen vom Hausarzt über Privatlabor und Universitätslabor zu kantonaler und eidgenössischer Meldestelle nicht reibungslos. Der elektronische Datenaustausch muss wesentlich besser vorbereitet werden. Die gesicherte schnelle Kommunikation kann aber dem einzelnen Hausarzt und allen Beteiligten nicht einfach als neue Last aufgebürdet werden. Diese Meldekette muss für alle Beteiligten einfach und schnell funktionieren. Es darf nicht ein Tool sein, wie bei den Impfungen, wo der Arzt eine Viertelstunde braucht, um eine einzelne Impfung einzutippen. Der Arzt kann den Vorgang zudem aus Gründen der Datensicherheit nicht einfach einer MPA delegieren. Das Patientendossier wird in der Schweiz von oben dekretiert aber gleichzeitig werden die notwendigen Investitionen nicht abgegolten und die Datenstandards wurden nicht auf allen Ebenen funktionsgerecht entwickelt. Das funktioniert schon im Normalbetrieb schlecht