Antisemitismus ohne Juden

Bezug zum Judentum ohne Juden?

Der positiv und der negativ konnotierte Bezug zum Judentum bedarf kaum jüdischer Menschen. Juden stören den herrschenden Diskurs.

Antisemitismus ohne Juden wird in Spanien seit einem halben Jahrtausend gepflegt. In Polen wurden die letzten Juden in Pogromen nach dem Ende des zweiten Weltkriegs drangsaliert, vertrieben und getötet. Die Schweiz war vom 14. bis zum 19. Jahrhundert auch ein halbes Jahrtausend praktisch judenrein, länger und konsequenter als England.

In den meisten Städten und Ländern Europas leben fast keine Juden, nirgendwo erreicht die jüdische Bevölkerung die Prozentmarke. Trotzdem ist das Judentum in Europa eigentlich unübersehbar, in Gedenkstätten, Museen, in Sprache und in der Kultur jeder Art.

Die Auseinandersetzung mit den eigenen jüdischen Wurzeln und mit dem eigenen Antisemitismus ist unbequem. Gerade im Denken, in der Philosophie, wird die Präsenz des Judentums wenig bewusst wahrgenommen und diskutiert. Aber kann diese Diskussion durch die Theologie allein angemessen geführt werden?

Wie in Europa, lebten vor dem Zweiten Weltkrieg auch von Marokko bis in den Irak in vielen Städten 10, 20, ja über 30 Prozent Juden. Sie wurden beraubt, vertrieben und nicht selten getötet.  

Der Islam wurzelt in seiner Mythologie und Theologie fundamental im Judentum. Der Koran fusst auf den Verlautbarungen des Propheten Mohammed. Er hat in Mekka ganz offensichtlich die jüdische Bibel und den Tnach gehört. Auch wenn er als Kaufmann sicher lesen, schreiben und rechnen konnte, hat er wohl keine Bücher gelesen, denn er sagte, er sei kein Mann der Schrift[1]. Mohammed meinte die alten Offenbarungen richtig verstanden zu haben. Er verstand die Juden nicht, und er entwickelte eine tiefe Hassliebe zu den Juden. Heute herrscht diese Hassliebe in allen Ländern des Islam: ein Antisemitismus ohne Juden. Jude ist in muslimischen Ländern ein alltägliches Schimpfwort und Juden werden für alles Übel in der Welt verantwortlich gemacht.

Das war schon seit der Zeit des Propheten Mohammed so. Als sich die drei jüdischen Stämme in Medina auch zwei Jahre nach Beginn der Herrschaft Mohammeds nicht zum Islam bekehren lassen wollten, veranstaltete der heilige Prophet Pogrome. Für sich und seine Gefolgschaft raubte er das ganze Hab und Gut der Juden, vergewaltigte und versklavte die jüdischen Frauen und vernichtete jegliches jüdische Leben in seiner Stadt. Auch in Mekka duldete er keine Juden. Meistens genügte Mohammed und den islamischen Führern der Sieg über die Juden (und das Christentum); die physische Vernichtung aller Juden war unnötig, Unterjochung und gewalttätig eingeforderter Tribut[2]  genügte oft auch. Im Jahr 628 eroberte er die jüdische Stadt Chaibar und verfuhr ähnlich auch in anderen Kriegen gegen jüdische Städte in Arabien. Schon die ersten Erben Mohammeds vertrieben alle Juden aus dem Norden der arabischen Halbinsel.

Nach den Kriegen der Römer in Israel lebten viele Juden in Nordafrika von Ägypten bis Marokko. In den Bergen des Atlas lebte die jüdische Berber-Königin Kahina sie wehrte sich von 695 bis 701 gegen die arabischen Muslime und wurde vernichtet. Der Maghreb wurde mit Gewalt gegen Juden islamisiert.

Im Gebiet des nördlich des Kaukasus, zwischen dem schwarzen und dem kaspischen Meer lebten vor der Ankunft des Islam die jüdischen Könige der Chasaren. Islamische Gewalt spielte bei ihrer Unterwerfung und Bekehrung im 8. Und 9. Jahrhundert eine entscheidende Rolle. Die Karäer ergaben sich nicht und bewahrten ihren urtümlichen jüdischen Glauben in abgelegenen Gegenden der Krim und anderswo in und um die Regionen des ehemaligen chasarischen Reiches.

Der eliminatorische Antisemitismus des Islams flackerte meist nur regional und zeitlich begrenzt auf. Juden waren die Schutzbefohlenen des Herrschers[3]. Die erfolgreichsten Juden wurden Teile des Herrschaftsapparates, Berater des Wesirs, des Sultans oder Königs. Jüdische Frauen erreichten Macht im Harem.

Die zweitrangingen Söhne versuchten schon immer die Macht der Herrschenden zu stürzen. Die Söhne der Juden waren von der mosaischen Idee der Befreiung des Menschen beseelt, und jüdische Söhne standen in den ersten Reichen der Rebellion. Wenn die Macht des Herrschers durch Aufstände bedroht war, wurden die Juden als Schuldige am Staatsversagen denunziert, vertrieben oder getötet.

Pogrome gab es im muslimischen Granada1066, Fez 1565, Benghazi 1785, Algier 1815, Damaskus 1840, Kairo 1844.[4] Ein Zusammenhang mit dem europäischen Kolonialismus kann hier sicher nicht konstruiert werden. Und auch das friedliche Zusammenleben von Juden und Muslimen unter der Herrschaft des Islam ist eine retrospektive Wunsch-Projektion. Der Friede wurde von den muslimischen Herrschern mit Gewalt gegen die Juden (und Christen) erzwungen.

Jüdische Frauen lebten schon im Palast Pharaos. Auch das Buch Esther der Bibel erzählt diese Geschichte vom Hofe Nebukadnezars in Babylon. Der bösartige Menschenverachter und Menschenvernichter Stalin benutzte in den dreissig Jahren seiner Regentschaft das antisemitische Narrativ für seine Säuberung der sozialistischen Kaden gegen den jüdischen Bund, gegen die Narodniki, gegen Trotzkisten und gegen wirkliche oder angebliche Zionisten.

Juden und Antisemitismus sind zur Stabilisierung jeder Herrschaft nützlich. Die Vernichtung aller Juden, der endzeitliche eliminatorische Antisemitismus ist langfristig weniger nützlich. Aber jeder antijüdische Vernichtungswahn wurzelt direkt im Islam und im Christentum. In den Ländern des Islam herrscht seit einem halben Jahrhundert ein Antisemitismus ohne Juden. Allein aus den maghrebinischen Ländern wurden 800’000 jüdische Menschen vertrieben, die meisten leben in Frankreich und in Israel.

Wie soll sich der Islam mit der fundamentalen Zerstörung seines Glaubens an seine Überlegenheit je abfinden können? Der jüdische Staat Israel hat 1948 in seinem Unabhängigkeitskrieg 700’000 Menschen aus Palästina vertrieben, grausam, blutig und tödlich. Das ist eine anhaltende Katastrophe[5].


[1] Koran, Sure 7/158

[2] Dschizija, Tribut wird von den Schutzbefohlenen Dhimmi durch Schläge kleinlaut aus der Hand (Koran Sure 9,29) eingefordert. Die Toleranz der islamischen Herrschaft war verbunden mit gewalttätiger Erniedrigung.

[3] Dhimma, pl. Dhimmi

[4] Abdel-Hakim Ourghi: Die Juden im Koran, Ein Zerrbild mit fatalen Folgen, Claudius Verlag 2023

[5] Naqba