Jekaterinoslaw

Jekaterinoslaw liegt dort, wo der Fluss Dnjepr Richtung schwarzes Meer abbiegt. Die östlichen Teile der Ukraine entlang des Dnjepr-Bogens gehörten zum Reich des Zaren. Die Stadt war nach der Zarin Katharina benannt. In der langen Zeit der Sowjetunion hiess die Stadt Dnjepropetrowsk. Heute heissen die Stadt und der Fluss ukrainisch Dnipro.

Schon unter der Zarin Katharina kamen die ersten Juden in die nach ihr benannte Stadt, Jekaterinoslaw. Die Versprengten aus dem Krieg mit Napoleon waren die Nächsten, aber dann kamen jüdische Arbeiter massenhaft aus allen Teilen des wachsenden Reichs, aus Russland, Galizien, Podolien, Transkarpatien, polnischen und sogar deutschen Landen. Im Osten beschützte sogar der Zar seine Juden.

Napoleon verschwand, wie er gekommen war. Aber die Juden und andere Entwurzelte blieben. Wie immer nahmen die meisten Menschen das Leben, wie es eben kam. Auch die Juden waren trotz ihren biblisch inspirierten Träumen von Freiheit schnell wieder auf dem Boden der Realität. Viele freche Napoleoner, die Judenbrut und die französisch-portugiesischen Bastarde, konnten nach dem verlorenen Russland-Feldzug nicht mehr zurück nach Deutschland, oder wo immer sie hergekommen waren. Doch auch der Zar brauchte Massengüter, Kleider und Schuhe, und er brauchte Arbeiter. Die Ukraine wurde industriell aufgebaut, vor allem im Osten.

Gute und günstige Manufaktur lässt sich überall und immer verkaufen. Beer Abischajewitsch Zawidow war Schuhfabrikant in Jekaterinoslaw geworden. «Ihm waren sicher schon iber hundert Johren, bolje sta Ljet.»

«Schil-büil, schil-büil, xi xi xi, es war einmal»: Moische Zawidow war kaum bibelfest, aber die Geschichten von Methusalem und einigen anderen kannte er. Er erzählte vom Riesen Samson, von Hexen und ihren medizinischen Künsten, vom Lichtbringer Ahaswer, der als jüdischer Teufel durch alle Länder gejagt wurde, von Spanien nach Afrika und weiter nach Venedig und Moskau und in die Ukraine nach Sibirien, wo es doch so kalt sei, und von dort durch ganz China nach Schanghai, wo er auf einer Möwe bis nach Hamburg reiten konnte. Mit Übertreibungen und trotz grauem Star leuchtenden Augen erzählte Moische Zawidow seinen Enkeln seine Geschichte und die Geschichte seines uralten Vaters. Auf den Knien seines Vater habe er gesessen. Sein Vater habe Beer ben Abischai geheissen. Und dieser Beer habe als kleiner Junge zusammen mit seinem Vater Abischai den Kaiser Napoleon im brennenden Moskau gesehen. Grossvater Moische blies in seine Faust und tutete: «Bjuiji, bjujuu, bjuiuu!»

«Ein falscher Hund war er, der Napoleon, falsch und böse, wie alle hohen Herren.» Aber man denke bloss, «als Jude in der für Juden verbotenen Stadt Moskau!»

Moisches Vater, Beer Zawidow, war ein wohlhabender Mann. Es ging aufwärts und dann verlor Beer wieder fast alles, aber meist ging es aufwärts. Seine Handelsbeziehungen reichten ins habsburgische Reich, in die Türkei, nach Polen und Deutschland. Kriege und wechselnde Bündnisse der hohen Herrschaften ermöglichten zwar neue Handelsbeziehungen, aber vor allem behinderten Kriege das Wirtschaften. Beers Schuh-Manufakturen fanden sich in verschiedenen Städten im Süden des russischen Reiches. Der kaiserliche Schutz war nicht immer zuverlässig, aber mit dem Ausbau der Eisenbahn wurden die Wege für den Handel sicher. Lokale Machthaber und solche, welche die Macht gerne übernommen hätten, wechselten immer noch in rascher Folge. Wer bot zuverlässigen Schutz und zu welchem Preis?

Beer überlebte zwei Ehefrauen. Die erste Frau hatte ihm sieben Töchter geboren und zuletzt noch einen Sohn. Diese Geburt hatte ihre letzten Kräfte geraubt; sie war noch keine dreissig Jahre alt, als sie an Schwindsucht starb.

Sonja, die zweite Frau, übernahm aus der ersten Ehe Beer Zawidows vier Kinder; vier weitere hatten ihre Kindheit nicht überlebt. Sonja selbst gebar Beer 14 Kinder. Sonja wurde immerhin 41 Jahre alt. Niemand wusste, wieso sie eines Tages auf offener Strasse durch einen berittenen Kosaken ermordet wurde. Es sei einer von Kurtschatows Truppe gewesen; andere behaupteten gar, Kurtschatow selbst sei der Mörder gewesen. Was hatte Beer ihm angetan?

Die in Jekaterinoslaw allseits geachtete Sonja Zawidowa war von Besorgungen mit ihrer Tochter Elischewa an der Hand auf dem Weg nach hause, als der unbekannte Reiter sie mit einem einzigen unvermittelten Schwerthieb niedermachte. Das Mädchen rannte schreiend davon und rettete sich vor dem Mörder.

Beer Zawidow war zu dieser Zeit mit Jaron auf einer Reise. Im polnischen Lodz hatte er für seinen erstgeborenen Sohn eine feine Braut gefunden. Eifersüchtig hätte er auf Jaron sein können, so schön war diese Malka Landawa. Vater Landau handelte mit Leder, Tuch und allerlei Rohwaren. Durch Geschäfte und gegenseitige Besuche kannten sich die Männer, so wie sich schon ihre Väter durch alle Unbilden der Zeiten gekannt hatten. Eine Schwester Malkas, hätte ihm sogar noch besser gefallen, dachte Beer leise, als er bei der Brautwerbung seines Sohnes die blühende Mirjam zum ersten Mal sah. Er erbat sich ein Bild der Schönen, denn er habe ja noch mehr Söhne. Der Osten sei doch noch sicher, fragte der ebenfalls schon alte Landau vorsichtig; man höre ja immer so manches. «So sicher wie Abrahams Schoss.»

Aber als Beer, Jaron und seine Braut Malka von Lodz nach Jekaterinoslaw zurückkamen, herrschten Aufruhr und Trauer in der jüdischen Gemeinde.

«Was soll das?» fragte Beer.

«Der Ratschluss Gottes entzieht sich der praktischen Vernunft», meinte Jaron fromm und der über Gott und die Welt empörte Beer verpasste ihm fast einen Schlag, bevor er sich fassen konnte.

Der Mord an Beers zweiter Frau war nur der Anfang gewesen. Die Kosaken hatten noch mehr Unheil an jüdischen Menschen und ihrer Habe angerichtet. Der Zorn und die Strafe Gottes selbst sei durch ihre Häuser und sündigen Seelen gefahren. Beer konnte die Wut über den Meuchelmord an seiner Sonja nur schwer zügeln. Nur mit Mühe gelang es ihm, Ruhe, Besonnenheit und Ordnung wieder herzustellen, für sich, in seinem Haus und in der Stadt.

Beer traf sich also mit dem Kosakenhauptmann Wassili Kurtschatow im vornehmen Etablissement. Auf Beers Kosten liessen sie sich von den schönsten Frauen der Stadt verwöhnen. Plüsch, Samt, weiches Fleisch, Mascara und grosszügiges Kerzenlicht besänftigten die impulsiven Gemüter. Gelächter, Gegröle und das Geklimper des Pianos waren einfach grandios. Unter vielen Trinksprüchen einigten sich die zwei Männer, dass sie beide die schönsten Backen- und Zirbelschnauzbärte der Stadt Jekaterinoslaw und des ganzen Rayons besassen.

Damit Ruhe einkehre, zahlten Beer und andere wohlhabende Juden dem Kosakenhauptmann ein erhöhtes Schutzgeld. Ob der Zar das noch zugelassen hätte, wenn er es gewusst hätte?

«Auch der Ratschluss des Zaren ist für einen einfachen Juden kaum zu ergründen.»

Das Hochzeitsfest seines ältesten Sohnes Jaron war wegen Sonjas Tod aufgeschoben worden. Aber ein Jahr später feierten Jaron und sein Vater gemeinsam Hochzeit, eine Doppelhochzeit. Jaron heiratete endlich seine Malka, aber Beer die eben erst siebzehn Jahre alt gewordene Mirjam. Die bildschöne Mirjam wurde seine dritte Frau: «Masel tow!»

War der Schwiegervater jünger als der Bräutigam? Der alte Landau kam mit Gattin als Begleitung Mirjams und zum Wiedersehen mit Malka, der erst jetzt zeremoniell mit Jaron verheirateten älteren Tochter. Sogar der Kosakenhauptmann Wassili Kurtschatow auf seinem Pferd liess sich am Festtag mit riesigen Blumensträussen vor dem Hause Zawidow blicken. Neugierig auf die in der ganzen Stadt als Schönheiten gerühmten Bräute, versuchte er einen Blick zu erhaschen. Er stieg nicht ab, sondern liess sich einen Schluck, und dann noch einen, auf sein Pferd hinaufreichen. Er liess sich mit den beiden jungverheirateten Paaren zu Seiten seines Pferdes fotographieren. Regelrecht an einer Judenhochzeit teilnehmen, mochte er dann aber doch nicht.

Mirjam, die dritte Frau Zawidowa, gebar Beer eine Tochter und zwei Söhne. Nur Moische überlebte. Mosche ben Beer, Moisej Beerowitsch Zawidow, wurde als Zweitjüngster von 24 Geschwistern in der ukrainischen Stadt Jekaterinoslaw geboren. Manchmal sprach er von 25 Kindern, sein jüngster Bruder sei, kaum geboren, schon gestorben. Von seiner nur wenig älteren Schwester sprach er nie. Aber Moische war letztlich das einzige überlebende Kind seiner damals noch blutjungen Mutter Mirjam.

Beer Abischajewitsch liebte seinen Moischele, seinen Jüngsten, herzte und verwöhnte ihn, das letzte seiner vielen Kinder. Er erzählte seinem Moischele alles, was er wusste und ihm lustig oder wichtig schien. Und seinem Moischele schenkte er das Horn, das er schon von Zawidow nach Jekaterinoslaw gebracht hatte.

Jaron, der älteste Sohn, half Beer bei den Geschäften und knüpfte gar neue Beziehungen. Jekaterinoslaw blühte und die Qualität und Vielfalt der Schuhe Zawidows wurde gerne gekauft. Beer und Jaron beschäftigten nicht nur Juden. Sie wollten alle Menschen in Brot und Arbeit sehen, da waren sie sich einig: «Jeder der sich bemüht, hat es verdient.»

Jona, der Erstgeborene Beers zweiter Frau Sonja, war ein Tausendsassa. Er brachte alle und jeden zum Lachen und Staunen. Er konstruierte abenteuerliche Bauten, Türme aus Haushaltgeräten, Seilen und Tüchern, auf denen er herumturnte, sich versteckte und mit verstellter Stimme Witze und Geschichten erzählte, er jonglierte, er dressierte die Gänse im Hof des Hauses, er spielte viele Instrumente, wusste alles, und vieles noch besserer, und so gut, dass er bei den allerbesten Sprüchen in irres Lachen ausbrechen konnte, welche das Lachen der Familie verstummen liess. Das geschah allerdings nur wenige Male. Mirjam lachte am lautesten über Jonas Possen und als alle ob seinem ins Unerträgliche gekippten Lachen verstummten, ging sie zu Jona, und umarmte ihn vorsichtig.

Die älteren Schwestern Jarons führten den Haushalt. Sie waren Jonas Halbschwestern und regierten das Haus. Jona erledigte seine Pflichten im Hause Zawidow mit grossem Tempo und Leichtigkeit. Er wollte niemandem und vor allem seinem Vater keinen Grund zur Schelte geben. Aber mit Worten stritt Jona ernsthaft mit seinem Vater Beer. «Du bist ein Greis und nimmst Dir eine so junge Braut. Haben wir nicht schon genug Frauen im Hause Zawidow.»

Beer erschrak aber wagte es nicht, Jona zu schelten. Beer hatte geträumt, dass ihn ein Junge aus Eifersucht wegen seiner so schönen jungen Frau töten würde. Der Junge war seine Schwester Chaia und verwandelte sich in Jona. Beer lag auf seinem Rücken. Er schmerzte nicht mehr. Die Hände waren gefaltet. Er konnte sie nicht auseinanderbringen. Seine Mirjam vergoss Tränen. Die fielen ihm auf die Hände. Sie beugte sich über ihn, und das Gesicht des Jungen beugte sich über ihn. Beide küssten sich sacht und zärtlich, und er konnte sich nicht regen.

Auch wenn die Frommen es verbieten wollte, am Schabbat setzte Beer seine Töchter auf eine Bank und liess sie auf einem Blumen geschmückten Wagen von zwei kräftigen Pferden durch die Stadt ziehen. Beer ritt voraus und vor und hinter dem Wagen spielten seine Söhne und befreundete Musiker. Alle trugen prächtige Stiefel aus der eigenen Werkstatt. Die Töchter stellten ihre Füsse auf das hözerne Gatter, welches den Wagen begrenzte. Nicht nur ihre Schuhe stachen ins Auge, sondern auch ihre schneeweissen Unterröcke und ihre Schönheit. «Beer Zawidow» stand über allem auf dem grossen Schild, der sich von Blumen und Girlanden umrankt über den Wagen spannte.

Jona war von zaristischen Geheimdienstlern festgenommen worden. Die Agenten der Ochrana stürmten eine geheime Versammlung der Narodniki. Sie prügelten drauflos. Ein Schuss tötete einen sozialistischen Genossen auf der Stelle. Als Beer seinen Sohn aus dem Kerker der Ochrana auslösen wollte, traf er auf Wassili Kurtschatow. Auch Igor, Wassilis einziger Sohn, sass im selben Loch. Igor und Jona seien Rädelsführer einer Verschwörung gegen den Zaren und wurden des Hochverrats bezichtigt. Dem Kosakenhauptmann Kutschatow gelang es selbstverständlich schnell, die Ochraniki zu beruhigen und den Preis für die Auslösung beider Söhne zu drücken.

Beers Geschäfte dehnten sich gegen Süden und Osten aus, nach Odessa, auf die Krim und ans Asowsche Meer. Von Nikolajew und Cherson fuhr er mit seinen Söhnen Jaron und Jona den Dnjepr hinauf. Sie hatten noch ungegerbte Häute geladen. Bei Saporischtschja wollten sie für die Nacht an einem einsamen Ufer anlegen, als sie wütendes Geschrei von Männern hörten. Sie fuhren noch etwas weiter flussaufwärts und fragten sich, ob hier Viehdiebe oder andere Räuber herumlungerten. Die Wache wurde eingeteilt. Die Dämmerung begann und sie hatten über ihrem Feuer schon eine Suppe aufgehängt. Da hörten sie Hilferufe. Jona und ein Knecht fanden am Rand eines riesigen Gurkenfelds eine verletzte junge Frau. Sie war entführt und verraten worden. Olga war die Tochter des Kosaken Wassili Kurtschatows.

Beer Zawidow und seine Söhne brachten Olga ins Stadthaus Kurtschatows in Jekaterinoslaw. Wassili Kurtschatow wollte blutige Rache nehmen. Aber noch am selben Abend traf ihn der Schlag. Der alte Zawidow schickte seine Tochter Elischewa und seine junge Frau Mirjam zu Hilfe bei der Pflege. Der Kosakenhauptmann erholte sich zwar nach wenigen Tagen, aber zunächst war die ganze Stadt in Sorge. «Seine starke Ordnung brauchen wir doch alle.»

«Er ist nicht mehr er selbst. Seine Zeit ist vorbei», meinte Beer Zawidow, als er ihn zwei Wochen später noch einmal besucht hatte.

«Seine Zeit ist vorbei», witzelte Jona zweideutig.

«Wer wird uns Juden nun beschützen?»

Nach der Ermordung des Zaren Alexander wurde die Industrialisierung im Osten der Ukraine nicht gestoppt, sondern noch beschleunigt. Immer mehr Arbeiter kamen in die Stadt am grossen Strom. Als die doppelstöckige Eisenbahnbrücke über den Dnjepr gebaut wurde, mussten einige Bauten am Fluss weichen. Auch das allgemeine Waschhaus der Stadt wurde abgerissen. Wo sollten alle Kleider der vielen Menschen gewaschen werden? Die Eisenbahngesellschaft scherte sich nicht um die kommunalen Probleme. Die Wäsche der hohen Herren Unternehmer und Behörden wurde nicht in öffentlichen Waschhäusern gewaschen. Die Waschfrauen aber waren auf ihren Verdienst angewiesen. Ausgerechnet in einer Zeit als immer mehr Arbeiter nach Jekaterinoslaw strömten, gab es nur noch das zweite kommunale Waschhaus, in welchem jüdische Arbeiterfrauen das Sagen hatten. Auch die immer zahlreicheren jüdischen Arbeiter wollten ein sauberes weisses Hemd tragen am Schabbat.

Im zweiten kommunalen Waschhaus regierte die grosse Ava. Sie war laut, überschwer und bärenstark. Ava lachte über alles und jede, wie es ihr gefiel. Sie war ledig und trug darum ihre eigenen Haare, die sie wild unter ihrer weissen Haube hervorquellen liess. Die schwarzen drahtigen Locken betonten die Hässlichkeit ihrer knolligen Nase, durch die sie schwer schnaubte, wenn sie nicht gerade herumkommandierte. Avas Herrschaft im kommunalen Waschhaus war unangefochten.

«Wasser hat noch jeden Dreck weissgewaschen.» Avas böser Witz kaschierte ihre kampferprobte Gutmütigkeit. Majestätisch sass sie meist hinter ihrem Pult auf einem hohen Hocker. Durch dichten Wasserdampf und Gedränge erkannte sie jede Unregelmässigkeit. Jede durfte im kommunalen Waschhaus waschen. Keine tanzte aus der Reihe. Für Feuerholz und Ordnung verlangte sie von jeder denselben Betrag Kopeken und liess sich nie bestechen. «Gerecht, aber grausam», grinste sie, sei ihre Devise, «im Namen des Zaren, gerecht, aber grausam, hahaha!»

Ava war immer die Erste, die frühmorgens noch lange vor der Dämmerung das Waschhaus aufschloss und die Letzte, die es abends verliess.

Mirjam und die Töchter Sonja Zawidowas fanden Ava eines morgens tot in ihrem Blut liegend. Rücklings lag ihr Kopf auf dem Pult und am Hals klaffte ein tiefer Schnitt, aus dem ihre weisse Schürze rot getränkt wurde.

Die rasch anschwellende Masse von jüdischen Waschfrauen brach in Klagen und Wehgeschrei aus. Als sie verstört aus dem grossen Waschhaus strömen wollten, empfing sie eine Horde von Männern und feindlichen Waschfrauen mit Dreschschlegeln, Sensen und sogar Kugeln. Die Frauen flohen in die Stadt und wurden eingeholt, wenn sie ihre Wäschekörbe nicht rechtzeitig fallenliessen. Der entfesselte Mob drang schändend, mordend und brandschatzend in die Häuser und Höfe der Juden ein. Sie raubten und vergriffen sich an allem.

Wie viele Hundert Menschen 1883 im Pogrom von Jekaterinoslaw starben ist unbekannt. Die Zensur des Zaren verbot, das letzte Bild Beer Zawidows zu veröffentlichen.

Beer Abischajewitsch Zawidow baumelte in der Toreinfahrt zum Hof seines Hauses. Das greise Herz hatte versagt. Tot war er kopfüber aufgehängt worden. Das grosse Haus, die Manufaktur und die Stallungen Zawidows wurden von den Juden hassenden Vernichtern abgebrannt, die Tiere gestohlen. Jaron, Malka und ihre Kinder erstickten in den Flammen. Die unverheirateten Schwestern Jarons waren im Hof liegende, nackte, blutige Haufen Fleisch und Wäsche.

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