Freiheit ist die glühende Lava, welche zwischen Subjekt und Objekt hervorquillt.
Die Lava erkaltet und es entstehen neue Territorien. Den Geruch der Freiheit meinst Du dort noch riechen zu können. Auf der erkaltenden Lava etablieren sich neue Märkte. Aber Freiheit ist nicht konsumierbar. Die Freiheit ist keine Substanz, die Du schlucken, inhalieren oder spritzen kannst.
Wie viel leichter ist es, das Fehlen von Freiheit zu beschreiben als die Freiheit selbst. Der Rausch ist nicht die Freiheit. Der Rausch zeigt uns Freiheit. Oft folgt ein Kater.
Zwischen Subjekt und Objekt quillt die Lava der Freiheit.
Die Lava der Freiheit quillt aus dem Zwiespalt. Und die andere Seite? Ich will beide. Freiheit ist immer jenseits, am anderen Ufer, und wenn Du drüben bist, ist die Freiheit schon diesseits, aber Du bist drüben.
Zwischen Subjekt und Objekt öffnet sich immer und jederzeit ein Spalt der Freiheit. Bevor diese Lava der Freiheit steinhart erstarrt, müssen wir unsere Chance immer wieder nutzen. Das gilt für das Individuum und für die Gesellschaft, jeden Tag, jeden Moment und immer wieder!
Die Lava der Freiheit glüht zwischen dem was kommt und dem was gewesen ist.
Die Lava der Freiheit erkaltet schnell und wird starr. Die Freiheit ist das Leben im Hier und Jetzt. Freiheit ist flüchtig, wie das Leben des Menschen selbst. Freiheit und das Hier und Jetzt sind infinitesimal.
Ich bin immer gleichzeitig ein Subjekt und ein Objekt, ein reales denkendes Wesen. Subjekt und Objekt sind die zwei Seiten derselben Medaille, aber Du kannst sie an keinen Enden ganz zusammenklicken. Das kannst Du nicht, obwohl Du immer in dieser dualen Realität lebst.[1]
Freiheit ist im Subjektiv nie determiniert. Subjektiv haben wir immer eine Wahl. Noch in der ausweglosesten Situation unter dem Schwert des Vollstreckers können wir unser Denken auf dieses oder jenes lenken. Ob die objektive Welt determiniert ist oder nicht, entzieht sich unserer Entscheidungsfähigkeit. Ob Gott würfelt oder nicht, entbehrt unserer Anschauung.
Wenn ich mir die Welt als Objekte vorstelle, welche sich alle mathematisch eindeutig beschreiben lassen, dann werde ich immer nur auf Objekte stossen, die sich im Computer simulieren lassen. Ich werde das Subjekt dabei nie erkennen, obwohl es immer dabei war, in diesem Prozess des scheinbar subjektlosen Erkennens.
Freiheit hast Du immer. Freiheit ist unerreichbar aber immer in Reichweite. Aber ohne täglichen Willen, die Freiheit zu gewinnen, ist dein Leben nichtig.
Ist die Freiheit ausserhalb der Mauern eines Gefängnisses grösser, als eingesperrt und geknechtet?[2] Freiheit ist dem Subjektiven sehr nahe. Freiheit objektiv zu beschreiben, ist deswegen schwierig. Freiheit ist auch ein Geschenk des Objektiven, denn ich bin jung, schön, stark, beliebt und unabhängig. Als Geschenk des Objektiven, will Freiheit gemeinsam errungen werden.
Kann Freiheit kollektiv oder gar als Gesellschaft errungen werden? Die meisten Menschen erwarten die Freiheit für sich. Wie gross ist die Minderheit, für die die ganze Gesellschaft, das Ziel ihres sozialen Handelns ist?[3]
Die Flüchtigkeit der Freiheit kann dem gemeinsamen Willen zur Freiheit Schaden zufügen. Aber der gemeinsame Wille kann die Freiheit ersticken und Existenzen vernichten.
John Stuart Mill[4] postulierte, dass die Freiheit des Einzelnen nur dort beschnitten werden darf, wo die Freiheit eines anderen bedroht ist. Der Klimawandel bedroht die jüngere Generation. Darf die Freiheit der Alten beschränkt werden, weil sie in ihrem Leben schon so viel Umwelt konsumiert und als Schaden hinterlassen haben? Darf die Freiheit der Reichen beschnitten werden, die sich mehr schädigend an der Umwelt verhalten als die Ärmeren und Armen?
Ab wann ist es gerechtfertigt, dass die Ansprüche eines Einzelnen oder einer kleinen Minderheit, die Freiheit und Sicherheit vieler Menschen bedroht oder mindert?
Dürfen Transfrauen den geschützten Raum der übrigen Frauen in Anspruch nehmen? Kann der Anspruch der Wenigen dem Anspruch der Vielen vorrangig sein? Wie essentiell, wie existentiell muss dieser Anspruch sein, damit er die Rechte von vielen beeinträchtigen darf? Wie viele und welche potentiell gefährlichen Menschen darf die Gesellschaft einsperren, um sich vor realer oder vermeintlicher Gefahr zu schützen? Wie viele ungerechtfertigt eingesperrte Menschen darf eine Gesellschaft knechten um sich sicher zu fühlen?
Darf die Gesellschaft das Leben oder den Tod eines Einzelnen verlangen, im Krieg oder auf dem Schafott?
Freiheit und Geborgenheit sind Gegensätze, Freiheit ist kalt und heiss zugleich. Kalt ist sie, weil sie keine Geborgenheit bietet und heiss, weil sie einen zu verbrennen droht.
Freiheit wird als Versprechen angeboten, eine Verheissung deren Notwendigkeit und Erreichbarkeit jedes Leben prägen und steuern will. Geborgenheit oder Freiheit? Ideen und Führer versprechen beides.
Führer oder Idee? Ideen waren seit den Urzeiten Abrahams und Echnatons lebendiger und mächtiger als jede Person. Sie überdauerten Jahrhunderte und Ideen des Judentums sogar drei Jahrtausende. Ideen sind mächtig, Führer überschätzen sich und werden grandios überschätzt.
Mehr als Ideen können Führer die Wünsche und Ängste der Menschen kannibalisieren. Ein Führer kann mich knechten. Kann ich Ideen gegenüber meine Freiheit bewahren?
Die reine Wahrheit garantiert einen einsamen Tod. Die reine Idee der Freiheit ist ein trügerischer Witz der Hoffnung.
Freiheit liegt in der Ethik Spinozas am selben Ort wie die adäquaten Ideen und die Realität. Aber Freiheit ist immer infinitesimal, wie das hier und jetzt. Bei Spinoza erscheint die Freiheit nicht infinitesimal gedacht, sondern unendlich. Aber die Freiheit ist im Unendlichen immer schon erreicht und zugleich im Infinitesimalen nie fassbar.[5]
Freiheit sprudelt wie Lava aus dem Spalt zwischen Subjekt und Objekt. Lava erkaltet rasch.
Freiheit im Kollektiv, Freiheit als Kollektiv zu gewinnen, scheint schwierig. Und doch gibt es Gesellschaften, welche ihren Menschen mehr, und solche die weniger Freiheit bieten.[6]
Eine Bedingtheit unserer Freiheit, unserer Existenz und unseres Denkens ist die Sucht. Sprechen wir von Sucht, Rausch und Freiheit. Vor allem jungen Menschen erscheinen Drogen ein greifbarer Weg in die Freiheit. Der Tanz auf dem Vulkan ist verlockend. Die glühende Lava scheint nur für die anderen gefährlich. Ich aber bin unverletzlich, jung, stark und frei.
[1] Spinoza sieht das Individuum allerdings als Teil der Immanenz, in welcher sich Subjekt und Objekt in der göttlichen Unendlichkeit vereinen.
[2] Wie frei war Alexej Nawalny, der von der russischen Staatsmacht vergiftet und in der Haft ermordet wurde?
[3] Wie gross ist diese Minderheit in der Gesellschaft wie gross ist der Anteil in meinem eigenen Streben?
[4] John Stuart Mill, 1806-1873, englischer Utilitarist, politischer Ökonom und Sozialtheoretiker
[5] Spinozas kritische Denkmethode endet hier. Spinoza scheint im Aufgehobensein und Teilsein in der göttlichen Unendlichkeit einen befriedigenden Erlösungsgedanken zu erblicken. Hier liegt die Quelle für die heute so populäre mystische Interpretation Spinozas. Der Erlösungsgedanke lässt Spinozas Holismus ins obskure kippen. Aber zu Recht zeigt Spinoza, dass Wahrheit und Freiheit am selben Ort liegen.
[6] Bröckelt die Gewaltenteilung als Garant der Freiheit? Die Zuständigkeit der Gerichte für die Gewährleistung der Menschenrechte wird auch in demokratischen Staaten von politischer Seite zunehmend bestritten. In der Schweiz haben sogar das Parlament und die Regierung explizit gefordert, einem Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht Folge zu leisten.